Das elisabethanische Drama
Der erste große englische Dramatiker vor SHAKESPEARE, der sich von allegorischen Typen als Charaktere abwandte und das Individuum in den Mittelpunkt stellte, war CHRISTOPHER MARLOWE. Seine Tragödien, Tamburlaine der Große und Der Jude von Malta, sind voller Gewalt; sie handeln von Ehrgeiz und dem Kampf um die Macht. So auch The Tragical History of the Life and Death of Doctor Faustus (1604). Sie basiert auf der bekannten Geschichte eines Mannes, der seine Seele an den Teufel verkauft, um in diesem Leben Macht und Reichtum zu erlangen.
Der elisabethanische Dramatiker, der die psychologische Einsicht und die Beherrschung der Handlung zu MARLOWEs Leistung hinzufügte, war WILLIAM SHAKESPEARE; der mehr als 30 Stücke schrieb. Am bekanntesten sind seine Tragödien Romeo und Julia (1594/95), Julius Cäsar (1598-1600), Hamlet (1600/01) Othello (1604/05), König Lear und Macbeth (1605-06) und seine Komödien Ein Sommernachtstraum (1595/96), Maß für Maß (1604-05).
Die Aufführung von Theaterstücken
Religiöse mittelalterliche Theaterstücke wurden entweder in oder bei Kirchen aufgeführt. Wenn die reisenden Spieler im Freien auftraten, wurden Bühnenwagen als Bühnen benutzt. Diese Bühnen waren nach allen Seiten hin offen. Zu SHAKESPEAREs Zeiten wurden Aufführungen in Gasthöfen gegeben; zwei Bühnenwagen wurden zu einer Bühne zusammengeschoben. In London wurden in den 1570er Jahren die ersten institutionalisierten öffentlichen Schauspielhäuser, The Rose und The Theatre, gebaut. SHAKESPEARE ließ zusammen mit einigen Schauspielern ein Schauspielhaus am Südufer der Themse errichten: das Globe Theatre, das 1599 eröffnet wurde.
Das Globe war ein dreistöckiges Gebäude, bestehend aus Galerien, die einen Innenhof im Freien umgaben. Die Galerien hatten ein Strohdach, was wahrscheinlich der Grund dafür war, dass das Globe schon bald, 1613, abbrannte. Zwei Drittel des Publikums saßen auf rückenfreien Holzbänken, während die „groundlings“ im Graben um die Bühne herum standen. Die in den Zuschauerraum hineinragende Podestbühne war von drei Seiten einsehbar. Es gab weder eine künstliche Beleuchtung noch eine Tonverstärkung und auch kein Bühnenbild. Die Schauspieler betraten die Bühne aus ihrer Garderobe, die sich unter der Bühne befand. Die Kostüme waren nur selten historisch korrekt. Da die elisabethanischen Theaterstücke ursprünglich keine Einteilung in Akte oder Szenen hatten, vermittelte ein Reimpaar den Schauspielern und dem Publikum das Ende einer Szene und den Wechsel des Bühnenbildes.
Durch die offene Podestbühne war der Kontakt zwischen Publikum und Schauspielern eng. Monologe und ‚Asides‘ (aside = Rede, die nur für das Publikum bestimmt ist, nicht für die auf der Bühne anwesenden Figuren) konnten direkt an die Zuschauer gerichtet werden. Die Nähe zwischen den Schauspielern und den Zuschauern zwang die Schauspieler, das Interesse des Publikums zu fesseln und es in den bewegendsten Szenen mitzureißen. Gelang es den Schauspielern nicht, den Kontakt zum Publikum herzustellen, konnte die Aufführung in einem Tumult enden. Das elisabethanische Theater war ein öffentlicher Ort, der Menschen aller Gesellschaftsschichten offen stand, denn jeder konnte sich den Preis für einen Stehplatz leisten. Folglich musste das Stück die Erwartungen aller Klassen erfüllen; der gebildeten Bürger oder Adligen ebenso wie der ungebildeten „groundlings“.
Das Schauspielhaus und die Spielerkompanien (der professionellen Schauspieler) wurden von Aktiengesellschaften betrieben. Der Dramatiker verkaufte sein Stück an eine Gesellschaft und wurde je nach Popularität des Stücks tageweise bezahlt. Die puritanische Reaktion des 17. Jahrhunderts setzte dem elisabethanischen Theater ein Ende, dessen Popularität sich nie mehr wiederholte.