Kapitel 2 – Genetik des Fragilen X-Syndroms
Die Entdeckung des FMR1-Gens und der damit verbundenen instabilen CGG-Trinukleotid-Repeat-Mutation im Mai 1991 markierte einen Wendepunkt in der Genetik. Zusammen mit der anschließenden Anerkennung der Ausdehnung instabiler repetitiver Elemente als ursächliche Mutationen bei Dutzenden weiterer menschlicher genetischer Störungen lieferte die molekulare Grundlage für das Fragile X-Syndrom lang gesuchte Antworten auf genetische Fragen, die sich jahrzehntelang einer Erklärung entzogen hatten. Die Tatsache, dass diese fundamentale Entdeckung eines genetischen Prinzips durch die Untersuchung einer menschlichen Erkrankung erfolgte, spiegelt die faszinierende Besonderheit des Phänomens wider, das bei anderen Tierarten, die üblicherweise zur Definition unseres Verständnisses genetischer Prinzipien herangezogen wurden, bisher unbekannt war. Obwohl noch viele Fragen zu repetitiven DNA-Sequenzen und deren Beitrag zu normalen und abnormalen phänotypischen Variationen offen sind, haben bemerkenswerte Fortschritte in den letzten Jahren zu einem umfassenden Verständnis der Biologie von FMR1 und dem Fragilen-X-Syndrom geführt, das es erlaubt, rational konzipierte therapeutische Interventionen bei dieser häufigen Form der geistigen Behinderung in Betracht zu ziehen.